
Flugmedizin - Definition und Qualifikation
Flugmedizin ist eine spezialisierte Subdisziplin der Medizin, die sich mit den medizinischen Aspekten der Luftfahrt beschäftigt. Sie umfasst sowohl die flugmedizinischen Auswirkungen des Fluges auf den menschlichen Körper als auch die medizinische Eignung von Luftfahrtpersonal wie Piloten, Flugbegleitern, Fluglotsen und anderen Mitarbeitern in der Luftfahrtindustrie. Die Flugmedizin ist ein interdisziplinäres Feld, das Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen wie Physiologie, Kardiologie, Neurologie, Notfallmedizin, Psychiatrie und Toxikologie integriert.
Ein zentrales Ziel der Flugmedizin ist es, durch präventive Maßnahmen und medizinische Überwachung sicherzustellen, dass Luftfahrtpersonal gesundheitlich in der Lage ist, die mit dem Flugbetrieb verbundenen physischen und psychischen Anforderungen zu erfüllen. Gleichzeitig sollen auch die Auswirkungen von Flugreisen, wie etwa auf den Blutdruck, den Kreislauf, die Atmung oder das Zentralnervensystem, verstanden und behandelt werden.
Flugmedizin - Herausforderungen
Die Flughöhen und die mit dem Fliegen verbundenen Bedingungen stellen den menschlichen Körper vor spezielle Herausforderungen. Der Luftdruck sinkt mit der Höhe, was zu einer geringeren Sauerstoffversorgung führt.
Diese niedrige Sauerstoffpartialdrücke sind in der Regel für Passagiere in modernen Verkehrsflugzeugen kein Problem, da diese mit Druckkabinen ausgestattet sind, die den Luftdruck in einem Niveau halten, das mit dem in einer Höhe von etwa 2.400 bis 2.500 Metern über dem Meeresspiegel vergleichbar ist. Dennoch können auch in dieser Höhe physiologische Veränderungen auftreten, die für den Körper eine Belastung darstellen können.
Darüber hinaus müssen Flugärzte spezifische gesundheitliche und psychische Belastungen bei Piloten und Flugbegleitern berücksichtigen. Zu den wichtigsten medizinischen Aspekten in der Flugmedizin gehören:
- Hypoxie: In größeren Höhen kann der geringere Sauerstoffgehalt in der Luft zu einer Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff führen, was zu Schwindel, Verwirrtheit oder sogar Bewusstlosigkeit führen kann.
- G-Kräfte: Diese treten bei schnellen Wendemanövern oder plötzlichen Steigflügen auf und können den Blutdruck und die Blutverteilung im Körper beeinflussen. G-Kräfte können insbesondere für das Herz-Kreislaufsystem von Piloten eine Herausforderung darstellen.
- Dekompressionskrankheit (DCS): Taucherkrankheit, die durch den schnellen Druckabfall bei zu schnellem Auftauchen nach einem Tauchgang ausgelöst wird, ist ein weiterer Bereich der Flugmedizin, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, da viele Piloten auch Freizeittaucher sind.
- Jetlag und Schlafstörungen: Durch die Zeitzonenverschiebung können die circadianen Rhythmen des Körpers gestört werden, was zu Schlafstörungen und erhöhter Müdigkeit führt, die die Flugsicherheit beeinträchtigen können.
Die Entwicklung und Implementierung von Präventionsstrategien sowie die Behandlung von Gesundheitsproblemen in der Luftfahrt erfordern eine fundierte Ausbildung und kontinuierliche Forschung auf dem Gebiet der Flugmedizin.

Flugmedizin Zusatzqualifikation
Seit etlichen Jahren kann die Zusatzbezeichnung „Flugmedizin“ bei allen Ärztekammern in Deutschland erworben werden.Gerade um dies pezifische flugmedizinische Qualifikation zu unterstreichen, ist eine entsprechendeZusatzbezeichnung immens wichtig. Im Rahmen der europäischen Regelungen, der Bestrebung einer Facharztbezeichnung, eines Postgaduiertenstudiums sowie der Einbringung in die Verordnung über Luftfahrtpersonal (§ 21 Abs. 2) nimmt der Aufwand zu. Die zugrundeliegende Qualifikation und die Kriterien zum Erwerb der Zusatz- bezeichnung unterscheiden sich allerdings in einigen Aspekten in Abhängigkeit der Ärztekammer, bei der die Zusatzbezeichnung beantragt wird, wesentlich.
Aktuell ist eine Überarbeitung der Musterweiterbildungsordnung durch die Bundesärztekammer in Arbeit, die mitunter auch zu Änderungen für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Flugmedizin“ führen wird. Zukünftig sollten die Bedingungen zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Flugmedizin“ weiter vereinheitlicht werden.
Musterweiterbildungsordnung Flugmedizin
Bundesweit kann bei entsprechender Zusatz-qualifikation auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrtmedizin die Zusatzbezeichnung „Flugmedizin“ erworben werden. Diese ist in der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer (BÄK) aufgeführt und wurde vor etwa 10 Jahren in der jetzigen Form durch die Landesärztekammern (LÄK) entsprechend in ihren Weiterbildungsordnungen (WBO) umgesetzt. In den 16 Bundesländern Deutschlands sind hier insgesamt 17 Ärztekammern zuständig. In Nordrhein-Westfalen sind zwei Ärztekammern ansässig (Nordrhein und Westfalen-Lippe).
Die Zusatzweiterbildung Flugmedizin umfasst, entsprechend der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern, in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Luft- und Raumfahrtmedizin ein-schließlich der physikalischen und flugmedizinischen Besonderheiten des Aufenthalts in Luft- und Weltraum sowie des Wohlergehens des fliegenden Personals und der Passagiere. Das Weiterbildungsziel ist die Erlangung der fachlichen Kompetenz in Flugmedizin nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalte sowie des Weiterbildungskurses (MWBO und WBO der Ärztekammern).
Wenngleich die Kriterien der Bundesärztekammer in der MWBO klar vorgegeben sind, existieren einige Unterschiede in der Umsetzung bei den regionalen Ärztekammern.
Flugmedizinische Weiterbildung
Die Flugmedizinische Zusatzqualifikation ist eine spezialisierte Weiterbildung, die auf den Grundlagen der allgemeinen Medizin aufbaut und sich mit den spezifischen Anforderungen und Herausforderungen in der Luftfahrtmedizin beschäftigt. Die Zusatzqualifikation erfolgt in mehreren Schritten:
Theoretische Ausbildung: Die theoretische Ausbildung umfasst grundlegende Themen der Luftfahrtphysiologie, der Höhenkrankheit, der Sauerstoffversorgung, der G-Kräfte, der Dekompressionskrankheit, sowie spezifische Themen wie Lärmschutz und Flughygiene. Ein weiteres wichtiges Thema ist die medizinische Eignungsprüfung von Luftfahrtpersonal, was spezielle psychologische und physiologische Tests beinhaltet.
Praktische Ausbildung: Die praktische Ausbildung umfasst unter anderem die Durchführung von Flugtauglichkeitsuntersuchungen sowie das Erkennen von medizinischen Kontraindikationen. Dies schließt sowohl körperliche Untersuchungen (z. B. Blutdruckmessung, EKG, Lungenfunktionsprüfung) als auch psychologische Untersuchungen (z. B. Screening auf Alkoholismus, Drogenmissbrauch, oder psychische Erkrankungen) ein.
Prüfung und Zertifizierung: Nach Abschluss der theoretischen und praktischen Ausbildung müssen die angehenden Flugärzte eine Prüfung ablegen, die von der Luftfahrtmedizinischen Gesellschaft Deutschland (LAG) organisiert wird. Nach Bestehen der Prüfung wird die Zusatzbezeichnung Flugmedizin von der zuständigen Ärztekammer

Flugmedizin Fortbildung im Überblick
Dauer der flugmedizinischen Weiterbildung
Die Weiterbildung in Flugmedizin umfasst eine Dauer von sechs Monaten und wird bei einem qualifizierten Weiterbilder für Flugmedizin durchgeführt.
Umfang der flugmedizinischen Weiterbildung
Die Weiterbildung beinhaltet 180 Stunden einer strukturierten Kursweiterbildung, die den Anforderungen des § 4 Abs. 8 der entsprechenden Weiterbildungsordnung entspricht.
Inhalte der Weiterbildung Flugmedizin
1. Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung in Flugmedizin
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Luftrecht und relevante Vorschriften: Die Weiterbildung umfasst das Luftrecht sowie die relevanten nationalen und internationalen Rechtsvorschriften, die für die Luft- und Raumfahrtmedizin von Bedeutung sind. Dies schließt gesetzliche Bestimmungen und Regelungen zu Flugmedizin und Luftfahrtsicherheit ein.
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Medizinische Anforderungen für Luftfahrtpersonal: Es werden die medizinischen Anforderungen und Standards für fliegendes Personal sowie Fluglotsen behandelt, um deren Eignung für den Dienst zu bewerten.
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Grenzen und Möglichkeiten zur Leistungssteigerung des Menschen: Ein weiterer Bestandteil der Weiterbildung ist die Untersuchung der physischen und psychischen Grenzen und Potenziale zur Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit, besonders unter den besonderen Bedingungen des Fliegens.
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Luft- und Raumfahrtphysiologie: Die Physiologie des menschlichen Körpers unter den speziellen Bedingungen des Fliegens und der Raumfahrt wird intensiv behandelt, einschließlich der Auswirkungen auf den Körper durch Druckveränderungen, G-Kräfte und andere Umwelteinflüsse.
2. Spezielle physiologische Aspekte
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Untersuchungstechniken: Die Weiterbildung vermittelt unterschiedliche Untersuchungstechniken, die an die spezifischen Umgebungsbedingungen des Fluges angepasst werden, wie zum Beispiel die Anpassung an Höhenunterschiede und den Luftdruck.
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Höhenphysiologie: Ein Schwerpunkt liegt auf der Höhenphysiologie, insbesondere auf der Hypoxie (Sauerstoffmangel) und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper.
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Sauerstoffmangeldemonstration: Die Teilnehmer nehmen aktiv an einer Sauerstoffmangeldemonstration teil, um die Auswirkungen von Hypoxie in einer kontrollierten Umgebung zu erleben.
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Weltraumphysiologie: Die physikalischen und physiologischen Herausforderungen für den menschlichen Körper im Weltraum sind ebenfalls Bestandteil der Weiterbildung.
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Beschleunigungsphysiologie: Es werden die Auswirkungen von Beschleunigungsphänomenen wie den G-Kräften behandelt, die insbesondere bei Piloten von Kampfjets oder in der Raumfahrt relevant sind.
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Sinnesphysiologie: Ein weiterer Bestandteil ist das Verständnis für Sinnestäuschungen, die durch Höhenunterschiede und die Flugbedingungen entstehen können. Dazu gehört auch eine Desorientierungsdemonstration oder Simulation, um die Auswirkungen auf die Wahrnehmung und die Orientierung zu veranschaulichen.
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Leistungsphysiologie: Hier werden Aspekte der körperlichen Leistungsfähigkeit des Menschen unter den Bedingungen des Fliegens und bei extremen Umwelteinflüssen untersucht.
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Thermophysiologie und Strahlung: Die physiologischen Auswirkungen von Thermoregulierung und Strahlung auf den menschlichen Körper, wie sie bei Langstreckenflügen oder in großen Höhen auftreten können, werden behandelt.
3. Flugpsychologie und Human Factors
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Informationsverarbeitung und Kommunikation: Es wird die Informationsverarbeitung unter den Bedingungen von Flügen und die damit verbundene Kommunikation innerhalb des Cockpits und der Crew behandelt.
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Human Factors: Ein wichtiger Teil der Weiterbildung ist das Thema Human Factors, also Strategien zur Reduzierung menschlicher Fehler und der Auswirkungen dieser Fehler auf die Sicherheit.
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Flugangst: Ein weiterer Punkt ist die Identifikation der Ursachen von Flugangst und die Entwicklung von Therapieoptionen, um Piloten und Flugbegleitern in dieser Hinsicht zu unterstützen.
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Crew Resource Management (CRM): Die Grundlagen des Crew Resource Management werden vermittelt, insbesondere in Bezug auf die effektive Nutzung der Ressourcen und Kommunikation innerhalb des Teams, um die Sicherheit während des Fluges zu maximieren.
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Krisenintervention und Gesprächsführung: Das Training umfasst auch Gesprächsführung in Krisensituationen, wie sie im Kontext des Critical Incident Stress Managements (CISM) notwendig sind.
4. Flugmedizinische Untersuchung und Leistungsbeurteilung
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Beurteilung der Fliegertauglichkeit: Die Teilnehmer lernen, die Leistungsfähigkeit und fliegerische Eignung sowie die Flugtauglichkeit gemäß den nationalen und internationalen Anforderungen zu beurteilen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und Risikofaktoren.
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Medikamentenwirkungen und Nebenwirkungen: Es wird ein Verständnis für die Wirkungen und Nebenwirkungen von häufig verordneten Medikamenten entwickelt, insbesondere im Hinblick auf deren Einfluss auf die Flugsicherheit.
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Alkohol, Drogen und psychoaktive Substanzen: Die medizinischen Auswirkungen von Alkohol, Drogen und anderen psychoaktiven Substanzen auf die Flugtauglichkeit werden behandelt.
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Sucht und Abhängigkeit: Bei der Beurteilung der Flugtauglichkeit wird auch die Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung von Sucht und Abhängigkeit thematisiert.
5. Tropen- und Reisemedizin
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Reise- und Tropenmedizin: Besondere tropenmedizinische Aspekte werden behandelt, insbesondere hinsichtlich der Flieger- und Flugreisetauglichkeit von Flugpersonal und Passagieren.
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Flugmedizinische Beratung: Die Teilnehmer lernen, Reisende und Flugpersonal hinsichtlich Malariaprophylaxe, Hygiene und Medikamentenanpassung bei Zeitverschiebung zu beraten.
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Pandemien und Desinfektion: Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, wie etwa die Desinfektion von Luftfahrzeugen, werden behandelt.
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Flug- und Reisetauglichkeit: Die Beurteilung der Reisetauglichkeit nach Operationen oder im Zusammenhang mit Vorerkrankungen ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Weiterbildung.
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FREMEC- und MEDA-Formulare: Der Umgang mit den relevanten Formularen der IATA (FREMEC und MEDA) für die Dokumentation kranker oder behinderter Passagiere wird praxisnah geschult.
6. Medizinische Zwischenfälle an Bord
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Medizinische Bordausstattung: Die verschiedenen medizinischen Ausstattungen und die erste Hilfe an Bord eines Flugzeugs werden im Detail besprochen, einschließlich der Besonderheiten der Notfallversorgung im Flug.
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Lufttransport von Verletzten und Kranken: Ein weiterer wichtiger Teil der Weiterbildung ist die Planung und Durchführung des Lufttransports von Verwundeten und Kranken sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.
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Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Teilnehmer erfahren, wie man in interdisziplinärer Zusammenarbeit medizinische Notfälle an Bord und bei Lufttransporten professionell plant und dokumentiert.
7. Arbeitsmedizinische Aspekte der Flugmedizin
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Ergonomie und Arbeitsphysiologie: Es wird auf die ergonomischen und arbeitsphysiologischen Grundlagen der verschiedenen Arbeitsplätze, wie Cockpit, Kabine und Flugsicherung, eingegangen.
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Besondere Belastungen für fliegendes Personal: Themen wie Lärm, Vibrationen, Zeitverschiebung und andere Belastungen des fliegenden Personals werden ausführlich behandelt.
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Flugunfallmedizin und -untersuchung: Schließlich lernen die Teilnehmer die Risiken von Flugunfällen, die Maßnahmen bei Unfällen sowie die Flughafenuntersuchungen und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft.
